Wer mich kennt, weiss, dass ich nicht gerne früh am Morgen aufstehe. Und mal ehrlich ich finde schon 07:00 Uhr ziemlich früh. Weshalb also an einem freien Wochenende noch früher aus den Federn? – „The Mind“ hat mich gezogen.
Obwohl mitten in der Schweiz gelegen ist, das Maderanertal mit den öffentlichen Verkehrsmittel nicht sonderlich gut erreichbar. So treffen wir uns am Freitag kurz vor 06:00 Uhr am Bahnhof Bern und starten die beschwerliche Reise ins Urnerland. Kaum ausgestiegen erahnen wir schnell, dass sich die Anreise gelohnt hat. Vor uns liegt ein märchenhaftes Tal. Der Chästelenbach wird von unzähligen kleinen und grossen Wasserfällen gespiesen. Ein Wasserfall ist höher als der andere und noch viel höher türmen sich die rauen Felsen des Chalchschijen. Als gehöre es in diesem Tal einfach dazu quollen auch aus dessen Felsen kleine Wasserfälle ins Tal.
Zufrieden und müde vom ersten Tag legen wir uns vor der der Hüfihütte an die Sonne, gönnen uns ein Stück Früchtekuchen und machen einen kurzes Nickerchen.
Danach gilt es ernst. Eine erfolgreiche Seilschaft muss in Gedanken „Eins“ sein. Auf „The Mind“ kommt es an. Gemeinsam legen wir unsere Hände auf den Holztisch und versuchen wie in Trance den Rhythmus unserer Seilschaft zu finden. Das klappte Zwischenzeitlich ganz gut, aber immer wenn wir uns unbesiegbar fühlten, zwang uns das verflixte 5. Level auf den Boden der Realität zurück.
Mit unseren Gastgerbern Friedli und Claudia waren wir ebenfalls sofort „One Mind“, Sie haben uns ausgesprochen herzlich empfangen und liebevoll verköstigt. Aber nicht alle in der Hütte waren „One Mind“. Die Schwingungen wurden fühlbar schlechter, als eine ältere Dame darauf hingewiesen wurde, dass Ihr nächstes Tagesziel doch eher nur mit Bergführer begangen werden sollte. Nein, das wollte Sie nicht auf sich sitzen lassen, denn schliesslich sei Sie seit 40 Jahren „One Mind“ mit den Bergen und wisse sehr wohl was Sie tue. Wir wissen auch was zu tun ist. – Früh ins Bett, damit wir am nächsten Tag um 05:30 Uhr loslaufen mochten.
Auf dem Weg über den Hüfifirn zum Grossschärhorn befinden wir uns mitten in einer schier endlosen Eislandschaft. Von allen Seiten fliesst der Gletscher in den von Bergen umgebenen Kessel. Für Bürogummis wie mich, immer wieder faszinierend und wir fragen uns, wie lange wir beim hohen Tempo des Klimawandels diese schöne Gletscherwelt noch bestaunen können – „keep in Mind“. Nachdem wir einen begehbaren Weg durch die Spaltenzone gefunden haben, stehen wir bald am Fusse des Schärhorn unserem Tagesziel. Der imposante Anblick lässt kaum erahnen, dass man fast bis zum Gipfel mehr oder weniger hoch spazieren kann, erst zuoberst gibt es eine kurze Stufe, welche uns etwas Überwindung kostet. Wow diese Aussicht! Einfach immer wieder schön auf einem Gipfel zu stehen und den Blick in die Weite schweifen zu lassen.
So, nun müssen wir halt doch noch ans andere Ende des eben schier endlosen Gletschers laufen, denn in der Planurahütte wartet schliesslich wieder ein Stück Kuchen auf uns. Das Lohnt sich, denn wir und Kuchen – „One Mind“.
Nene, der Tag ist da noch nicht ganz zu Ende, denn wenn wir schon mal unmittelbar neben dem höchsten Windkolk Europas nächtigen, wollen wir den auch erklettern. Mit Steigeisen und Pickel versuchen wir uns zuerst etwas unbeholfen die steile Eiswand hoch zu kämpfen. Mit der Zeit werden wir eins mit dem Gletscher, fühlen seine Kraft und es beginnt so richtig spass zu machen.
Irgendwie bitter aber wahr. Heute stand der kleine Zeiger exakt auf 04:00 Uhr als der Wecker klingelte. Puh… Zum Glück unser letzter Tag, sonst würden wir morgen bestimmt nochmals eine Stunde früher los. Aber mal ehrlich, wer bei diesem Wetter, in der Morgendämmerung nicht sofort eins ist mit der Natur und das einmalige Licht der Sterne und der in den ersten Sonnenstrahlen leuchtenden Berge nicht in sich aufnimmt und die wundervollen Schwingungen nicht spürt, der soll das Hochtourengehen besser uns überlassen. Die ersten Sonnenstrahlen erreichen uns kurz vor dem Gipfel des Clariden. Nö der kalte Wind bläst zu stark für eine lange Pause und ohnehin warten auf dem Abstieg noch die eine oder andere knifflige Stelle auf uns. Klettern ist eindeutig einfacher, wenn man unten startet und die Route, Griffe und Tritte von unten sehen kann. Also kommen wir nur langsam voran. Gegenseitig sichern wir uns in den ausgesetzten Kletterpassagen. Denn wir wissen, wir sind „One Mind“. Oder auch einfach über ein Seil zusammen gebunden. So sind wir heilfroh wieder unten auf dem Gletscher anzukommen, auf welchem wir ohne grösseren Schwierigkeiten dem Ende unserer Tour entgegen laufen.
Wow, was für ein Wochenende! Was für Berge! Was für eine Kameradschaft! Mit euch ist Frühaufstehen ein „Mindset“ und lohnt sich allemal! Gerne wieder!
PS: Wir vermuten, dass auch Postauto und das Berggasthaus am Klausenpass „One Mind“ sind. Denn wieso sonst, sollte man an einem derart abgelegenen Ort auf die Idee kommen, eine Postautoverbindung Fahrplanmässig nach fünfminütiger Fahrt ab Passhöhe „zufälligerweise“ unmittelbar vor einen Berggasthaus für mehr als eine Stunde zu unterbrechen?
Boah, sieht super schön aus. Merci für die Bilder und Text. Lg